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Auf Anfrage der feministischen Zeitschrift Schlangenbrut zur neusten Ausgabe zum Thema Schweigen hat Beatrice Grimm einen Artikel über Stille geschrieben:

Es gibt kein Glück, das der inneren Stille gleichkäme
( Simone Weil)
Wir sind umgeben von Trubel. Abertausende von Informationen dringen in immer schneller anwachsendem Maß und in stark zunehmender Geschwindigkeit auf uns ein.
Wie wäre es einmal kein Handy, keinen MP3-Player, kein Radio, keinen Fernseher, keine Zeitung, kein Email, kein Internet, keine Werbung zu haben? Nicht zu schreiben, nicht zu lesen, sich einmal mit keinem Menschen zu unterhalten? Nicht zu sprechen? Ohne äußere Stimulanz zu sein? Einmal nur ganz allein bei sich sein, zu schweigen und auf die Stille zu hören?

Einmal innehalten. In einer Zeit der Haltlosigkeit gibt Innehalten innen Halt. Meistens erleben wir erst beim Innehalten, dass der vermeintlich äußere Trubel in uns selber ist.

Auf der Suche nach äußerer Stille ging ich in die ägyptische Wüste. Unterwegs mit einer Freundin sagte diese plötzlich: „Hörst du auch den Bienenschwarm?“ „Ja, tatsächlich.“ Aber zwischen Steinen und Sand war keine Blume, kein Gebüsch und keine Vegetation wo sich Bienen hätten aufhalten können. Nach einiger Zeit merkten wir, dass dieses durchdringende Gesumme in der absoluten äußeren Stille in uns selber zu finden war. Wir hörten in uns das Rauschen des eigenen Blutes.

Ein Hindernis in Stille zu sein und zu schweigen liegt bei nicht wenigen Frauen in der eigenen Geschichte. Sie haben erlebt, dass wenn Zuhause geschwiegen wurde ‚dicke Luft' herrschte. Kinder werden auch heute oft mit Schweigen bestraft. Es kann der Bissen im Mund stecken bleiben, wenn Eltern bei Tisch schweigen. Solche kindlichen Erfahrungen können manche Suchenden einholen. Da entsteht plötzlich wieder das Gefühl nicht gesehen zu werden, nicht geliebt zu sein. Wichtig wäre diesen alten Schmerz nicht zu vermeiden, sondern ihn anzuschauen. Auch wenn es schwer ist innerlich zur Ruhe zu kommen und die Hektik des Alltags zum Schweigen zu bringen, geht es darum sich nicht entmutigen zu lassen,.

Wir können es wie die Waagschalen unseres Lebens betrachten. Wenn wir die Schale der Stille, der Einkehr, der inneren Wüste nicht von Zeit zu Zeit füllen, sinkt die andere Waagschale mit dem Getriebe des Alltags immer tiefer. Wir werden immer weniger Mensch. Wir verlieren immer deutlicher unser eigentliches Leben. Die Stille, die wir uns gönnen, die wir aushalten, bringt uns näher zu uns, zu dem was wir zutiefst sind: Präsentes, schöpferisches Bewusstsein. Stille, die wir erfahren, ist jenseits unserer Gedanken, jenseits unserer Gefühle und Emotionen.

Stille ist in allen Traditionen beheimatet. Schon bei Laotse können wir lesen:
„Es gibt etwas,
das ist unterschiedslos vollendet.
Es geht der Entstehung von Himmel und Erde voraus.
Wie still!
Wie leer!
Selbständig und unverändert,
im Kreise wandelnd ungehindert,
man kann es für die Mutter der Welt halten.“


In den apokryphen Schriften der dreigestaltigen Protennoia (Nag-Hammadi-Codex XIII) manifestiert sich die androgyne Göttin in wohl höchster Form. In dieser Selbstoffenbarung werden die weiblichen Kräfte, ursprünglich in koptischer Sprache gefeiert:
„Ich bin das Haupt des Alls,
die ich vor einem jeden da bin.
Ich bin der Ruf einer leisen Stimme,
die ich vom Uranfang an im Schweigen bin.
Ich bin der Raum, in dem jeder Ruf erklingt.
Und der verborgene Ruf, der in mir ist,
ist in dem unerreichbaren, unmessbaren Gedanken
des unermesslichen Schweigens.“
(Aus Christa Mulack/Im Anfang war die Weisheit/Stuttgart 1988)

Was bedeutet nun dieses Schweigen?
Schweigen heißt nicht nur NichtReden, Schweigen heißt: „Es bei sich aushalten“. Sich zu desidentifizieren von dem Ich, das ständig gerne etwas hätte, wüsste und wollte.
Wir haben täglich mindestens 60.000 Gedanken, und über 90 Prozent haben wir schon am Tag zuvor gedacht. Wir verhaften ständig in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Wir sind gefangen von unseren Konzepten und Vorstellungen.

In ihrem Buch „Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität“ geht die Amerikanerin Hilary Hart der Frage nach ob es ein spezifisch weibliches mystisches Bewusstsein gibt. Auf der Suche nach Spiritualität, die nicht gelehrt, sondern gelebt wird, hat sie 7 Mystikerinnen und auch einen Mann aus verschiedenen Traditionen interviewt.

Übereinstimmend haben alle Interviewpartner vermittelt, dass das Göttliche nicht etwas außerhalb von uns ist sondern immer hier, immer erreichbar. Es ist die Quelle der Weisheit und Liebe. Und dass man nicht dahin gelangen kann, weil man schon immer da ist und man nichts machen kann, dass man nichts forcieren soll, sondern den Dingen ihren Lauf lassen, es sich entwickeln lassen, es wachsen lassen.
(Hilary Hart/Die Wiederentdeckung weiblicher Spiritualität/Freiamt im Schwarzwald 2005)

Ich gehe davon aus, dass es in den großen spirituellen Traditionen zwei Strukturen gibt, die in die Stille zu der Quelle der Weisheit und Liebe führen können. Das ist auf der einen Seite die Bewusstseinsvereinheitlichung, die Bewusstseinssammlung. Das heißt anstelle der 60 000 Gedanken wird das Bewusstsein auf einen Gedanken gesammelt. Das kann der Atem sein, das kann ein Mantra (Schlüsselwort) sein. Die Aufmerksamkeit kann auch auf den Körper gelenkt werden. Zum Beispiel auf den Nabelbereich oder auf Arme und Beine, oder auf einen Schritt, einen Tanzschritt.

Die zweite Struktur ist die Bewusstseinsentleerung, eine Weise friedlicher Aufmerksamkeit. Hier geht es um die Erfahrung der Leerheit, um ein reines Gewahrsein, die Selbsterfahrung des Bewusstseins. Die Grundhaltung ist ein Sich-selbst-Spüren, -Lauschen, -Horchen.

Nichts was im Bewusstsein auftaucht wird angenommen. Es ist ein Lauschen in die Stille, in die Leere. Diese kann zunächst nicht wahrgenommen werden, weil der Verstand, die Sinne und der Wille so laut sind. Es ist nicht leicht, diesen Grad des Lauschens nach innen beizubehalten. Man darf weder ins diskursive Denken noch ins Dösen oder ins Schlafen abgleiten. Es ist ein Dasein ohne einzugreifen. Es ist eine präsente Körperlichkeit, die nicht wertet, und die in jedem Augenblick wo wir abgleiten immer wieder neu ansetzt und spürt und in die Stille lauscht. Es ist ein Lauschen hinter die Geräusche. Die Stille ist mächtiger als jedes Geräusch. Ein Lauschen, ein Horchen mit Haut und Haar. Diese Körperlichkeit führt in eine Erfahrung der Wirklichkeit, die schon immer da ist und über alle Verstandestätigkeit hinausgeht.

Hier geht es darum nichts zu leisten, sondern geschehen zu lassen, wachsen zu lassen. Ein weiblicher Wesenszug, der in unserer Natur liegt. Gerade die Bewusstseinsentleerung scheint vielen Frauen in den Schoß gelegt. Dasein in großer Erwartung, ohne auf etwas bestimmtes zu warten.

Diese Übung bezeichnet Teresa von Avila 16. Jh. als das Gebet der Ruhe. Sie berichtet, dass die Frauen viel begabter sind für den mystischen Weg. „Es sind nämlich viel häufiger Frauen als Männer, denen der Herr diese (mystischen) Gnaden erweist. Und das hörte ich den heiligen Petrus von Alcantara sagen und beobachtete es auch selbst, dass Frauen auf diesem Weg besser vorankommen als Männer, und er gab dafür ausgezeichnete Gründe an, die ich hier nicht aufzählen kann, alle zugunsten der Frauen.“ Sie meint bei den Frauen viel Liebe und mehr Glauben gefunden zu haben als bei den Männern. Sie schreibt weiter: „Ich halte es in diesen Zeiten für Unrecht, wenn man starke und zum Guten begabte Geister zurückstößt, nur weil es sich um Frauen handelt.“ (Teresa von Avila, Lockruf des Herrn, Lorenz Erika, München 1999, S. 165ff.)

Insgesamt ist zu beobachten, dass Frauen durchlässiger sind, dass sie leichter zu einer verkörperten Mystik tendieren.
Stille wird zum Gewinn an Lebensqualität: Zuerst erfahren wir, dass wir nicht Herrin im eigenen Haus sind. Dann erkennen wir, was krank macht: Die Faktoren des Stress, der Überbelastung, der Schlaflosigkeit, ja selbst einer physischen Krankheit. Wir lernen Wege, die in die Ruhe, in die Stille führen. Wir erkennen die Bedeutung von Stille im Tagesablauf. Wir lernen, nur da zu sein, nur zu schauen, nur zu hören, ohne zu werten und urteilen, zu spüren und zu lauschen.

Ich praktiziere das untertags, immer wieder zwischendurch. Nur da sein, in die Stille horchen! Bis ich in der Stille arbeiten kann, sprechen kann, bis die Ruhe der Hintergrund geworden ist, auf dem sich das Leben abspielt. Abwaschen, Gemüse schnippeln, putzen, bügeln in der Stille, gehen in der Stille. Warten in der Stille, an der Bushaltestelle, in der Einkaufschlange, beim Arzt, im Lärm des Verkehrs.

Sich der Stille überlassen und einfach schauen. Einmal nichts tun. Nicht meditieren. Nicht beten. Nicht nachdenken. Einfach dasitzen und horchen.

Präsent sein, heißt nicht in einem leeren, gedankenlosen Zustand zu sein. Es heißt vielmehr nicht mehr vor uns selber auszuweichen und zu fliehen. Präsenz gibt innere Zufriedenheit. Wir brauchen nicht nach einem besseren Gedanken, einem besseren Gefühl oder einem besseren Platz suchen. Durch mehr körperliche Präsenz, können wir mehr in Kontakt sein mit dem Leben und im Kontakt mit anderen, weil wir ja keine Vorstellungen erfüllen müssen. Da kann ein Kontakt mit einem Grundvertrauen entstehen. Ein Vertrauen, dass die Dinge grundlegend gut sind, wie sie sind. Wir sind richtig und gut in aller subjektiv wahrgenommenen Unvollkommenheit.

Den Tanz des Lebens voll auskosten
Tanzen in der Stille lässt uns heilsame Formen der Bewegung umfassender wahrnehmen.
Eine äußere Bewegung bewirkt immer eine innere Bewegung. Alles was lebt, bewegt sich. Die Basis jeder Bewegung jedoch ist die Stille. Es geht darum die Stille in der Bewegung wahrzunehmen und wiederum in der Stille die Bewegung. Auch hier die Bewegung nicht machen sondern geschehen lassen, sich tanzen lassen. Jeder Schritt ist der letzte Schritt, und gleichzeitig ist jeder Schritt der erste Schritt. Jeder Tanzschritt ist einmalig. Tanzschritt werden. Im Anfang sind zwei: Tanz und Tänzerin. Mit der Zeit ist da nur noch der Tanz und keine Tänzerin mehr.

Außen und innen tanzen,
schreiten und selber das Geschrittene sein,
hören und selber das Gehörte sein,
tasten und selber das Getastete sein,
sehen und selber das Gesehene sein,
schmecken und selber das Geschmeckte sein,
riechen und selber Duft des Sommers sein,
halten und gehalten sein,
begreifen und umgriffen sein,
O Wunder, tanzen und Tanz selber sein!

Beatrice Grimm

 

WEITERE PUBLIKATIONEN:

Kontemplation - Ein spiritueller Weg -
Ein neues Buch
von Willigis Jäger, Franz Nikolaus Müller, Beatrice Grimm

Kontemplation ist ein Weg der Stille und der Heilung. Die großen spirituellen Meister des Abendlands sind diesen Weg gegangen: Loslassen, sich einlassen auf die Wirklichkeit des Göttlichen, Eintauchen in einen Raum der Stille, die neue Kraft gibt. Willigis Jäger bringt diese Tradition im christlichen Bereich auf faszinierende Weise nah. Immer hat er Kontemplation auch im Zusammenhang der Tradition anderer Religionen gesehen. Dies ist nicht nur etwas für spirituelle Spezialisten. Die Botschaft des kontemplativen Lebens ist auch bedeutsam für die Zukunft der Menschheit.
Franz Nikolaus Müller beschreibt in seinem Beitrag den kontemplativen Weg von Ost nach West und von West nach Ost.
Beatrice Grimm weist auf den Übungsweg der Kontemplation. Ihre Praxisanleitungen zur Kontemplation machen dieses Buch zu einem wichtigen Arbeitsinstrument für alle, die sich heute auf den spirituellen Weg begeben und Kontemplation üben möchten.

Erschienen 2010 zum Sommerfestival am Benediktushof
im Kreuz-Verlag ISBN 978-3-7831-8012-1



Die vorliegende Sammlung von Texten spiegelt die mystischen Erfahrungen weiser Männer und Frauen aus unterschiedlichen religiösen Traditionen und Epochen wider. Sie berühren unsere Sehnsucht nach Ganzheit, und machen Mut, sich auf eine umfassendere Seinserfahrung einzulassen.

Mit einem Vorwort von Willigis Jäger,
einem Nachwort von Beatrice Grimm
und Bildern von Petra Wagner

Broschur
136 Seiten, 15 x 21 cm
Preis: EUR 12,80/ CHF 20,-
ISBN: 978-3-9810310-5-8

© 2009 Wege der Mystik, Holzkirchen

Bestellungen werden entgegengenommen:
mail@wege-der-mystik.de
oder über den Buchhandel

Rabatt für Buchhandlungen:
01-04 Ex. 25%, 05-09 Ex. 30%, ab 10 Ex. 40%.
Auch direkt über das Barsortiment KNV zu bestellen

Mehr zum Inhalt:
Woher komme ich? – Wer bin ich? - Warum bin ich da? – Wohin gehe ich? Alle Religionen tragen die entscheidenden Antworten auf diese existenziellen Fragen des Lebens in sich.
Für viele Menschen werden diese Fragen in der heutigen Zeit jedoch von den religiösen Institutionen kaum zufriedenstellend beantwortet. Hinter unserer rationalen Erkenntnis liegt eine Ebene der inneren Erfahrung. Dort finden sich die wirklichen Antworten für eine tiefere Sinndeutung unseres Lebens.

Die vorliegende Sammlung von Gedichten und Texten spiegelt die Erfahrung weiser Männer und Frauen unterschiedlicher Traditionen und Epochen wider.

Diese können unsere tiefe Sehnsucht nach Ganzheit berühren und sowohl den Erfahrenen als auch den tastend Suchenden Mut machen, sich auf eine umfassendere Seinserfahrung einzulassen.

Willigis Jäger, Beatrice Grimm
DER HIMMEL IN DIR - Einübung ins Körpergebet

SPIRITUALITÄT MIT LEIB UND SEELE

Umschlagbild Jäger/Grimm: Der Himmel in dir Willigis Jäger zeigt die fundamentale Bedeutung der Körpererfahrung auf dem Weg zur Wesens- und Gotteserfahrung. Der Leib - unser Partner auf dem spirituellen Weg. Alle Dinge schmecken nach Gott.
Beatrice Grimm führt Schritt für Schritt mit konkreten Anleitungen von außen nach innen, zu einer inneren und gleichzeitig äußeren Präsenz und damit zu Wahrnehmung der Einheit beider Ebenen.

5. Auflage 2007, 192 Seiten , Gb.
ISBN: 978-3-466-20452-6
EUR 17,95
SFR 32,80

"Der Himmel in dir" ist 2006 in Russisch erschienen, und wird zur Zeit ins Spanische und Niederländische übersetzt.

 

Willigis Jäger, Beatrice Grimm

CD  DER HIMMEL IN DIR -
Einübung ins Körpergebet

Klänge und Anleitungen zum Körpergebet

 

Titelseite der CD Jäger/Grimm: Der Himmel in dir

Die CD enthält kontemplative Klänge und Originalaufnahmen aus der Kursarbeit: Glocke, Klangschale, Hölzer, Gong, Tönen, Rezitationen. Anleitung zur Stille, Vortrag und Schlusswort von Willigis Jäger, Einübung ins Körpergebet von Beatrice Grimm, sowie einzelne Musikstücke zu den im Buch beschriebenen Tänzen. Mit Originalaufnahmen kann sich der Zuhörer in die eigene Erfahrung des Körpergebets führen lassen.

Die CD zum Buch ergänzt akkustisch die Praxis des Körpergebets.

6. Auflage 2006, 1 CD, Laufzeit ca.70 Min.
ISBN: 3-466-45722-X
EUR 15,50
ÖS 199,00
SFR 28,40

Buch und CD ist im Buchhandel erhältlich.

           Presseecho:

"Reich bebildert werden Urgebärden des Körpergebetes und Beispiele des kontemplativen Tanzes und Gehens gut nachvollziehbar demonstriert. Die wohldosierte Mischung aus praktischen Impulsen und Reflexion, Beschreibungen und Übungen stellt eher eine seltene Form mystagogischer Schrift dar ... Die Lektüre des Buches ist ein spirituelles Vergnügen und gleichzeitig eine Verführung zur praktischen Umsetzung." Ein Übungsbuch auf fundierter Grundlage mit zahlreichen, auf Fotos klar illustrierten Übungen. Publik-Forum 15/11.08.00

Der Himmel in dir , 18. Februar 2003
"Der Weg ins Sein führt über den Körper". Erst wenn wir Körper und Geist vereinen und mit jeder Faser im Hier und Jetzt verankert sind, erfahren wir wirklich tiefe Spiritualität. Dabei helfen uns kleine Gebärden, Gesten und Gesänge, die seit Urzeiten zu den wichtigsten Ausdrucksmitteln zur Hinwendung zum Göttlichen gehören, in unserer Kultur aber mehr oder weniger verkümmert sind.

Der Benediktinerpater und Zen-Meditationsmeister Willigis Jäger und seine Mitarbeiterin Beatrice Grimm laden mit ihrem Buch und der dazugehörigen CD zur Wiederentdeckung und Integration des Körpers in Meditation und Gebet ein, um eine Spiritualität zu erleben, in der Körper und Seele vereint sind. Sie laden dazu ein, sich selbst und das Dasein zu spüren. Es sind einfache Übungen, die sie als "Körpergebet" bezeichnen. Übungen, die im Gottesdienst genauso gut praktizierbar sind wie in allen täglichen Situationen - im Büro, im Haushalt und in der Freizeit.

Der Übende lernt, sich durch Gesten für das Göttliche, die in der Präsenz des Momentes erfahren werden kann, zu öffnen. Es sind Gebärden, die in Statuen und Abbildungen aus vielen Kulturen und Epochen stammen. Es sind Körperhaltungen, die Anmut und Würde ausstrahlen und wie eine Art Gebet wirken.
Das sogenannte Körpergebet hat heilende Wirkung, denn durch das Sein in der Präsenz entspannt der Körper: Herzschlag und Atmung werden langsamer, innere Ruhe und Entspannung stellen sich ein. Der Fokus wird vom Außen nach innen, hin zu uns selbst gerichtet. Eine heilende und erholsame Wirkung in einer Zeit, in der wir unter leicht unter Stress geratem und permantener Reizüberflutung ausgesetzt sind.

"Der Himmel in dir" ist ein Praxisbuch mit fundierten Grundlage und zahlreichen durch Fotos klar illustrierten Übungen. Eine Bereicherung für Menschen, die das Sein in der Ganzheit, in der Integration von Körper und Geist erfahren möchten.
Doris Iding 2003

 

 

Spirituell leben

111 Inspirationen von
Achtsamkeit bis Zufall

Herausgegeben von
Gabriele Hartlieb, Christoph Quarch, Bernardin Schellenberger

HERDER 2002

„Spirituell leben“ lädt dazu ein, achtsam zu sein auf Haltungen und Einstellungen, die Türen werden können in die Tiefendimension unseres Lebens.
Die 111 Beiträge dieses Buches regen an, das eigene Leben in einem neuen Licht zu sehen und den Sinn für die Dimension der Tiefe zu schärfen: die Hektik zu unterbrechen und innezuhalten, den Geschmack des Lebens neu wahrzunehmen und auszukosten.
Überzeugende und inspirierende Antworten. Für alle, die auf der Suche nach Orientierung und gelebter Spiritualität sind.

Beatrice Grimm schreibt das Kapitel "Gebet".

447 Seiten
ISBN 3-451-27904-5
Preis EUR 24.00



"Das Leben ist Religion, Stationen eines spirituellen Weges"
Willigis Jäger/Kösel 2005
Beatrice Grimm schreibt das Kapitel: "Türen öffneten sich"
Dieser Beitrag macht vielen Menschen Mut, Beatrice bekommt seit Jahren entsprechende Rückmeldungen, durch eine tiefe Krise hindurchzuschreiten.

 

Verschiedene Zeitschriftenartikel.

 

Aus der Zeitschrift "Die Mitarbeiterin"
März/April 2005
von Stephanie Steidl

„Die ganze Schöpfung ist ein Tanz Gottes“

Porträt der Kontemplations- und Tanzlehrerin Beatrice Grimm
Eigentlich ist die Kirche schon voll, übervoll. Aber immer noch strömen Menschen in das evangelische Gotteshaus im Münchner Stadtteil Haidhausen. Es ist mitten im viel zu kalten und regnerischen Juli und Hunderte haben sich versammelt, um einer „Feier des Lebens“ beizuwohnen.
Hauptzelebrant ist der 79-jährige Benediktinerpater Willigis Jäger. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt durch seinen Konflikt mit der römischen Glaubenskongregation unter Kardinal Joseph Ratzinger, infolgedessen er sich von seinem Orden auf einige Zeit beurlauben ließ. Ein ihm von den obersten Glaubenshütern auferlegtes Rede- und Veranstaltungsverbot gilt jedoch nur auf römisch-katholischem Territorium – die evangelischen Mitbrüder und –schwestern zeigen sich toleranter und offener gegenüber der von Pater Willigis vertretenen Spiritualität. Deren Kernstück ist die westliche und östliche Mystik, die in ihrer Suche nach der einen, göttlichen Wirklichkeit die oft starre Dogmatik verfasster Religion hinterfragt, neu deutet und dabei zum Teil weit hinter sich lässt.
Die von Willigis Jäger und seinem Team gestalteten Seminare und Gottesdienste sind offen für jeden und jede: für Gläubige und Ungläubige, Getaufte wie Ungetaufte. Bis auf den letzten Platz gefüllte Kirchen – darunter auch auffallend viele jüngere Menschen - zeugen von einer spirituellen Sehnsucht, für deren Erfüllung die angestammten Konfessionen mit ihrer zum Teil veralteten, formelhaften Sprache und undurchschaubar gewordenen Ritualen anscheinend keinen Raum mehr bieten können.
Bei der „Feier des Lebens“ ist neben einfachen und verständlichen Gebeten, leicht nachvollziehbaren symbolischen Handlungen und einer urchristlichen Agapefeier ein tragendes und wesentliches Element der Einbezug des ganzen Körpers in das Gebet.
Angeleitet wird dieser Teil des Gottesdienstes von Beatrice Grimm, einer langjährigen Mitarbeiterin von Pater Willigis. Sie plädiert dafür, den Leib als Partner auf dem spirituellen Weg wieder zu entdecken: „Die uralte Tradition der Gebärde, des Körpergebets ist in unserem Kulturkreis kaum mehr gegenwärtig“, erzählt sie uns bei einem gemeinsamen Frühstück.
„Eingezwängt in Kirchenbänke konzentrieren wir uns fast ausschließlich auf unseren Kopf und haben vergessen, dass wir nicht nur einen Körper haben, sondern dass wir Körper sind. Wir lassen uns im Gottesdienst berieseln, singen höchstens ein Lied mit und sind ansonsten Statist“.
Entgegen den landläufigen Gepflogenheiten plädiert die 58-jährige Schweizerin für mehr Körperlichkeit in der Religion: „Ich bin fest davon überzeugt, dass über den eigenen Körper, über Gebärden, Tänze und Töne tiefe spirituelle Erfahrung möglich ist. Unser Leib und seine Ausdrucksformen sind wohl die elementarste Form, in der sich der Mensch mit Gott verbinden kann. Und sie ist so alt wie die Menschheit selbst“.
Ausgebildet in Körperarbeit, sakralem Tanz, Kontemplation, Zen und Qigong will Beatrice Grimm den Menschen, die zu ihr kommen vermitteln, dass jenseits der vordergründig erfahrbaren Wirklichkeit noch eine weitere, göttliche Dimension existiert – immer gegenwärtig und alles Sein als tiefe Wahrheit durchdringend und gleichzeitig übersteigend.
„Diese Dimension hat in den unterschiedlichen religiösen Traditionen auch die unterschiedlichsten Namen und Bilder – im Abendland nennen wir sie seit Jahrtausenden Gott‘. Und diese eine göttliche Dimension, diese Kraft manifestiert sich auch leicht und mühelos im Körper, wenn wir es nur zulassen. Bewusste Bewegung und bewusstes Innehalten, die wir nicht machen, sondern geschehen lassen, können ein Zugang zum Göttlichen sein. Es ist in uns und durch uns da - erfahrbar und erspürbar.“
In Beatrice Grimms Kursen werden die TeilnehmerInnen neu an ihren Körper herangeführt. Einfache Tänze, langsam und achtsam ausgeführte Gebärden, ruhiges Schreiten und Sitzen in der Stille lösen einander ab und führen in bisher unbekannte Tiefen des eigenen Seins.
Der bewusste Vollzug von Bewegung und Innehalten, von Tun und Lassen verändert mit der Zeit. Er beruhigt und zentriert, kann sogar heilend wirken. Gebärden wie beispielsweise die erhobenen, geöffneten Hände wecken eine Haltung von Offenheit und Hingabe. Dabei kann innerer Friede und Gelassenheit entstehen: „Es geht nicht um eine andere Welt. Es geht darum, anders da zu sein in der Welt“.
Viele Menschen verspüren eine Sehnsucht nach der Berührung, der Begegnung mit dem Göttlichen. „Diese Sehnsucht ist wie Steinchen in den Schuhen. Sie lässt uns nicht ruhen und erinnert uns immer wieder an das, wonach wir suchen sollen“, so Grimm. Auffallend ist, dass die Mehrheit der Kurs- und Seminarteilnehmer von Beatrice Grimm Frauen sind. „Sensibilität und die Bereitschaft sich zu öffnen ist bei Frauen stärker ausgeprägt“, meint sie.“. „Es scheint, dass Frauen für den spirituellen Weg von Natur aus begabter sind.“

Der Weg von Beatrice Grimm begann, als sie als kleines Mädchen im Alter von knapp drei Jahren zum ersten mal eine Tänzerin auf einer Eisfläche in den Bergen sah. Sie schlüpfte sofort durch die Absperrung, schlitterte mit ihren Holzschuhen über das Eis, ahmte die Bewegung der Eistänzerin nach indem sie ein Bein hob und die Arme öffnete. In diesem Moment sei sie vollkommen eins geworden mit den geöffneten Armen, der Bewegung und gleichzeitig mit Bergen, Himmel und mit allem, was sie umgab. „Das war ein beglückendes Erlebnis, das sich in mir zutiefst eingeprägt hat und mir zum ersten mal, soweit ich mich erinnern kann, eine andere Dimension der Wirklichkeit gezeigt hat. Alles war gut, so wie es war und alles war wie durchtränkt von Liebe.“ Tänzerin zu werden war von da an ihr größter Wunsch.
Die Eltern förderten sie dabei, denn für sie war der Körper als Ort spiritueller Erfahrung eine Selbstverständlichkeit. „Meine Eltern praktizierten schon in den Vierzigerjahren Meditation und Yoga, was unserem Pfarrer sehr missfiel. Er meinte damals, dass wir in die Hölle kämen, wenn wir mit Yoga und Meditation weitermachten“.
Beatrice Grimm versteht sich heute als 'Tanzlehrerin des Lebens': „Wir sollten mehr Tanzschritt Gottes sein in dieser Schöpfung. Im Tanz verbinden wir uns mit der Natur, mit allem, was lebt und ist. Er ist eine Brücke zu der Dimension, die alles übersteigt“.
Auf die Frage, was Gott für die in der reformierten Kirche Getaufte konkret bedeutet, wird sie nachdenklich: „Wir schaffen uns Bilder und Konzepte von dem, was wir Gott nennen und verbauen uns damit oft die Sicht auf das Wesentliche dahinter – wir grenzen uns ein. Dabei ist Gott jenseits all dieser Vorstellungen. Gleichzeitig wirkt ER, wirkt ES in allem und durch alles – alles Sein ist ein Ausdruck Gottes. Im apokryphen Thomasevangelium gibt es dazu eine wunderbare Stelle. Sie lautet: 'Spaltet ein Stück Holz, und ich bin da. Hebt einen Stein, und ihr findet mich dort.’ (Thomasevangelium 77)

„Es gibt eigentlich keine Worte für Gott. Es ist eine andere Dimension jenseits von Worten, und gleichwohl durchdringt diese Dimension alles und jedes, nur wir erkennen es meist nicht. Immer mehr Menschen erfahren heute diese Dimension manchmal nur für Sekunden, manchmal für Tage oder sogar für Wochen. Was bleibt, ist vielleicht zu beschreiben mit dem Begriff Urvertrauen, das selbst in Krisen, im Leid und im Scheitern da ist. Es ist etwas existenzielles wie Geburt und Tod. Ich war bei einigen Geburten dabei und habe Menschen in ihrem Sterben begleitet. Und immer war da schlussendlich eine unendliche Liebe spürbar, ein Gefühl von Geborgen-Sein, von Vertrauen eben, das einem das Herz aufgehen ließ.
Wir sollten uns lösen von der Vorstellung, dass wir untereinander und von der Welt getrennt sind, dass es eine Unterscheidung gibt zwischen Sakralem und Profanem, von Mensch und Natur, von Du und Ich, von Gott dort und Mensch hier. Nur aus der Erkenntnis, das alles miteinander verbunden und aufeinander angewiesen ist, können Weisheit und Liebe und Frieden entstehen“.
Letztendlich sei alles mit allem verbunden: „In unseren Kursen und Seminaren versuchen wir diese Haltung einzuüben. Aber schließlich kommt es darauf an, die Erfahrung ins tägliche Leben zu integrieren: Ein spiritueller Weg, der nicht in den Alltag führt, ist ein Irrweg“, zitiert Beatrice Grimm Willigis Jäger. „Denn Spiritualität ist Alltag - in der Kirche kann sie nur in besonderem Rahmen gefeiert werden. Und es ist gar nicht so schwer, immer wieder innezuhalten und wach zu sein für die göttliche Dimension, die uns ständig umfängt: Wir können uns Brücken bauen, durch kurze Momente der Stille, z. B durch Stehen an der Ampel und an der Bushaltestelle. Wir nehmen wahr wie wir dastehen. Wir warten nicht, wir stehen einfach. Oder durch Schmecken, Hören, Riechen, Tasten. Einfach wahrnehmen, was ist, einfach da sein und spüren. Gerade die Hausarbeit bietet sich für die Übung an“, schmunzelt Beatrice. „Bügeln oder das Geschirr abzuwaschen kann zu einer heiligen Handlung werden. Denn in allem und überall ist Gott und will durch uns lebendig sein“.
Und was hat sich nach den vielen Jahren auf dem spirituellen Weg als das Wichtigste für sie herausgestellt?
„Jetzt... jetzt mit Ihnen zu sprechen und hier mit Ihnen zusammen zu sein, es gibt nichts Wichtigeres als den gegenwärtigen Augenblick“. Sagt’s lächelnd und streicht aufmerksam und sorgfältig die Marmelade auf das Frühstücksbrötchen.

Stephanie Steidl


Leserbrief zu dem Artikel in Publik-Forum Nummer 8 - „Hexenprozesse gingen nicht von der Kirche aus“

In dem Interview, dass die Kirche im wesentlichen unschuldig sei an einem Holocaust, der über 300 Jahre andauerte, werden wir Frauen, die als Hexen bezichtigt wurden noch einmal verbrannt.

Auch wenn viele Frauen keine magischen Kräfte besaßen, landeten sie im Mittelalter vor Gericht! Die Schuld der Kirche am Hexenwahn könnte Bände füllen. Nur die wichtigsten Daten kurz aufzuführen, nimmt soviel Platz ein, dass dieser Leserbrief wahrscheinlich nicht veröffentlicht wird. Für meine Darstellung habe ich folgende Unterlagen benutzt:
Erika Wisselinck/Hexen – Analyse einer Verdrängung/München 1986
Hans Küng/Die Frau im Christentum/München 2001
Horst-Ebrthard Richter/ Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft/Giessen 2006.
Von dem englischen Chronisten Matthäus Paris sind folgende Zahlen überliefert: Um 1300 gab es in Deutschland zwischen 8 und 14 Millionen Einwohner. Er nimmt an, dass zu der Zeit in Deutschland 1.000.000 Beginen lebten. Allein in Straßburg gab es 85 und in Köln 169 Beginenhäuser. Wie kommt es, dass eine Million Frauen fast sang- und klanglos verschwindet?

Warum traf der Hexenhammer „den Nerv der Zeit“?

Die Schuld der Kirche begann mit Augustin anno 400 durch seine Lehre vom Reich des Guten und Bösen. 1184 veröffentlicht Papst Lucius III. in Anwesenheit des Kaisers die Bulle „Ad Abolendam“, nach der die Bischöfe als ordentliche Richter von sich aus bei den Visitationen der Diözese nach Ketzern fahnden lassen sollten, ohne eine formelle Anklage abzuwarten. Das mittelalterliche Gerichtsverfahren kannte bis dahin nur die Verhandlung auf private Klage hin. Jetzt trat anstelle der Akkusation die Inquisition. Im 13.Jh. entfaltet der große Kirchenlehrer Thomas von Aquin im Anschluss an Augustin ein System der Dämonologie u.a. mit seiner Lehre von den Incubi und Succubi – teuflische Geister, die den Menschen sexuell beiwohnen. Eine Grundlage der Hexenverfolgungen. 1215 weist Papst Innozenz III. seine Bischöfe an , ihre Gläubigen zur Denunziation von ketzerischen Personen aufzufordern. 1231 nimmt Papst Gregor IX. die Strafe des Feuertodes in seine Erlasse auf. Da ihm die Bischöfe nicht scharf genug vorgehen, setzt er Inquisitionsgerichte ein, die ihm direkt unterstehen, und überträgt sie den Dominikanern, die als „Domini canes“ „Spürhunde Gottes“ gefürchtet wurden. 1252 lässt Papst Innozenz IV. den Gebrauch der Tortur zur Erpressung von Geständnissen zu. Die Päpste institutionalisierten und intensivierten seit dem 13.Jh. die Ketzerverfolgung und nahmen eine Verbindung zwischen Ketzerei und Zauberei an. Natürlich arbeiteten Amtskirche und weltliche Obrigkeit Hand in Hand. Im 15.Jh verdrängen die als Hexen bezeichneten Frauen den klassischen Ketzer als Hauptfeindbild der Inquisition. Heinrich Kramer war nicht irgendwer. Er wurde von Papst Sixtus IV. zum Inquisitor bestellt. Kramer zieht durch Oberdeutschland, heftet seine päpstliche Erkennungsurkunde an die Kirchentüren. In Predigten fordert er die Gemeinden unter Strafandrohung zur Denunziation von Verdächtigen auf. Sein Handbuch für Hexenrichter ist eine Sammlung ekelerregender, frauenfeindlicher Zitate. Dieser Bestseller – Beschreibungen von Obszönitäten und Perversionen - wurde von der Elite gelesen, die des Lesens der lateinischen Sprache mächtig war und für das Buch 1491 einen halben Gulden bezahlen konnte, was damals viel Geld war. Es wurde wohl von Theologen, Juristen, Ärzten, Philosophen an den Universitäten, Verwaltungen der geistlichen und weltlichen Herrscher und in den Bibliotheken der Fürstenhöfe und Klöster gelesen, und es hat bis heute seine Wirkung.

Mai 2007